Donnerstag, 27. Februar 2025

Rollercoaster, once again

Krokusse blühend zum Frühlingsbeginn auf dem Friedhof hinter dem Haus des Autors.


Mannomann, was für ein Geflenne die letzten Tage. Erst meldet sich E. Merkwürdiges Gefühl nach all den Jahren. Das ist, wie wenn man für eine lange Zeit so ganz tief unten in der Gletscherspalte festhängt und über die Jahre so langsam rausgeklettert ist und so kurz vorm Rand verweilt und nie so richtig rausgucken kann, weil man ihn nicht zu greifen kriegt.

Mittwoch, 26. Februar 2025

Vier Minuten und fünf Sekunden

 

Automat mit allerlei im Café Chaos in Darmstadt, beschriftet mit "KUNDENDIENST" und der Unterzeile "Für alle Fälle"

Mir ist heiß. Ich denke, ich habe Fieber, auch wenn mein Thermometer das nicht wirklich bestätigt. Vielleicht ist es kaputt oder zeigt Mist an, weil ich es nur unter den Arm klemme. In den Arsch stecken finde ich nicht so geil. Also jetzt nicht, weil ich homophob wäre oder so ein Quatsch, aber ich finde die Vorstellung, mir etwas Spitzes Metallisches rektal einzuführen, einfach nicht so prickelnd.

Montag, 24. Februar 2025

Das größte Arschloch von allen

Ich bin wieder zuhause. Mit Besuch von Freunden. Ist schön aber auch anstrengend. Noch keine Ruhe. Ich brauche Platz und Zeit für mich. Muss schreiben, um klaren Kopf zu bewahren.

Die scheiß Bundestagswahlen waren am Sonntag. Haben mich tierisch runtergezogen. Vor allem, weil ich eh nicht wählen darf. Wisst schon, ich Deutschlehrer aber mein Pass sagt immer Italiener. Und ihr wisst, was das in Deutschland heißt.

Samstag, 22. Februar 2025

Fangs of hell


Death is depressing as it is. If you’re surrounded by it, it’s even more depressing. My mom’s right in the middle of it. I’ve never felt a stronger urge to kill someone, anyone. Yes, you’ve guessed right. I’m at my parents. Just for a weekend. One weekend is enough to become a murderer. 

Donnerstag, 20. Februar 2025

Horrorshow

                                             

Blick aus dem Fenster (9. Stock) des OVZ Landsberger Allee, direkt an der S-Bahn-Haltestelle. Auf den Dächern liegt Schnee.Blick aus dem Fenster (9. Stock) des OVZ Landsberger Allee, direkt an der S-Bahn-Haltestelle.

Heute nur ein paar schnelle Worte zu meinem gestrigen Tag, der furchtbare Züge hatte. Wie ihr wisst, sind meine Onkologinnen des Todes nicht besonders einfühlsam. Das liegt einfach in der Natur der Dinge. Sie haben keine Zeit für eine umfangreiche Betreuung. Sie therapieren zwar – sprich, sie erstellen die Diagnose, sind bei der Tumorkonferenz dabei, entscheiden über die Therapieform – aber für alle Fragen zwischendurch, zu Nebenwirkungen oder sonstigem, haben sie keine Zeit.

Mittwoch, 19. Februar 2025

Memento mori

Steinplatte im Foyer der Urania Berlin mit dem eingravierten Zitat: „Mit dem Wissen kommt das Denken, und mit dem Denken der Ernst und die Kraft in die Menge.“ – Alexander von Humboldt, 1841 an Friedrich von Raumer. Quelle: o. A. (1869): Litterarischer Nachlass von Friedrich von Raumer, Berlin 1869, S. 22. Foto aufgenommen während der Berlinale 2025.

Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst

Wie oft habe ich in meinem Leben gehört, dass irgendwas ungesund ist oder krebserregend. Pah! Lächerlich. Wer glaubt, dass falsches Essen, Mikroplastik oder das Handy am Ohr einen umbringt, hat keine anderen Sorgen im Leben. Ob der Krebs euch erwischt oder nicht – das zu kontrollieren, steht nicht in eurer Macht. Der sucht sich seine Opfer selbst. Höchstwahrscheinlich schlummert er in eurer DNA, checkt mal die Familienhistorie.

Montag, 17. Februar 2025

Nachtgedanken III oder was Kortison mit mir macht

Fensterscheibe im Dunkeln, von hinten beleuchtet. Sichtbar: Fingerabdrücke, Eiskristalle, Schlieren.

Es ist 5:26 und ich kann mal wieder nicht mehr schlafen. Ich dachte, damit wäre Schluss. Seit gestern nehme ich kein Kortison mehr. Das ist der größte medikamentöse Einschnitt seit Wochen. Kein Medikament hat meinen Körper so durcheinandergebracht wie dieses. Er spielt völlig verrückt wegen der Veränderung. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie heftig dieses Zeug langfristig ist. In beide Richtungen: wenn man anfängt, das Medikament zu nehmen und wenn man es wieder absetzt.

Sonntag, 16. Februar 2025

Realitätscheck

Berlinale 2025 im Delphi Filmpalast: Auf der Bühne das Filmteam von FWENDS

Ein Samstag in meinem aktuellen Leben. Produktiv und gelungen, würde ich sagen. 

Ich bin sofort hellwach. So geht es mir seitdem Reset. Kein Matsch am Morgen. Ich sehe aus dem Fenster. Es ist noch dunkel. Im Haus gegenüber brennt in zwei Wohnungen Licht. Ich trinke Fencheltee, um die Darmflora bei Laune zu halten - so viel zum Punkrock von heute! - und schreibe den Eintrag zum Valentinstag.

Samstag, 15. Februar 2025

Sankt-Valentins-Krankheit

Blumenvase mit Schnittblumen auf Victors Wohnzimmerfensterbank. Draußen Schnee auf den Straßen.

Ich hasse Valentinstag. Hab ich schon immer, lange vor meinem RESET. Falls ich’s noch nicht erwähnt habe – so nenne ich den Tag seit meiner Diagnose. 

Valentinstag ist mir ein Graus. Viele denken jetzt wahrscheinlich, das liegt daran, dass ich Liebende verabscheue, weil ich nicht zum Club gehöre. Und ja, damit haben sie sogar recht. Nicht, dass ich nie in Beziehungen gelebt hätte.

Donnerstag, 13. Februar 2025

Brimborium

Blick aus Victors Schlafzimmerfenster im Winter. Draußen ein verschneiter Wohnblock.

Es schneit. Wenigstens das. Ausblick aus meinem Schlafzimmerfenster.

Ich wünschte, ich wäre gut drauf. Bin ich aber nicht. Klar, könnte man sagen: „Na logisch, der ist ja auch sterbenskrank. Wie soll der gut drauf sein?“ Aber so einfach ist das nicht. Ich hab auch gute Momente, schöne Phasen, die ich genieße. Mit S. im Kino, Koreanisches BBQ mit A. – das sind Erlebnisse, die bleiben. Ein Mensch kann nicht durchgehend scheiße drauf sein. Genauso wenig wie durchgehend gut.

Dienstag, 11. Februar 2025

Auch der Tod hat eine klare Hierarchie

Nahaufnahme einer Türklinke an einer Toilettentür.


Achtung, jetzt wird’s eklig. Ich finde Rotze, Schleim, Scheiße, Blut, Gedärme und Eiter nicht besonders widerlich. Die gehören zum Leben. Bürokratie nicht. Die finde ich abstoßend. Viel abstoßender als alles, was ein Körper ausscheiden kann.

Mein Freund P. sagt, Bürokratie sei nicht mein Feind. Sie existiere, um Korruption zu verhindern. Mag sein. Aber sie entmenschlicht, wie auch die Ordnung.

Montag, 10. Februar 2025

Filmglücklich!

Porträt der Schauspielerin Saoirse Ronan in The Outrun – sie steht am Meer, ihre orangefarbenen Haare wehen im Wind.Szenenbild aus The Outrun: Saoirse Ronan als junge Frau am windigen Küstenrand. © Protagonist Pictures / The Outrun (2024)

Ich unternehme Dinge. Fast so wie früher. Gestern war ich im Kino. Ein filmischer Orgasmus.

Der Psychologe ist sich mit mir einig, dass ich dies brauche, um Kontrolle über mein Leben zurückzubekommen. Mich nicht zuhause einsperren und Trübsal zu blasen, sondern zu machen. Dinge des Alltags erledigen: einkaufen, kochen, Klamotten waschen, die Wohnung putzen. Sport treiben, Rad fahren, Bücher in der Bibliothek ausleihen, lesen.

Sonntag, 9. Februar 2025

Mit anderen Augen

Eingang zur U-Bahnstation Wittenbergplatz

Ich war mit einer Freundin spazieren. Im Westen der Stadt. Immer wenn ich im Westen bin, in diesem Fall in Schöneberg und Charlottenburg, fühle ich mich wohl. Ich weiß nicht, warum. Ich lebe nunmehr seit sechzehn Jahren in Berlin und alle davon in Friedrichshain. Und das finde ich schade, denn der Osten ist dröge und langweilt mich. Er ist natürlich viel weniger schnöselig, was für jemanden wie mich, der sein Leben lang immer gegen das hierarchische Klassendenken gewettert hat, der einzige Ort ist, an dem ich leben kann, ohne meine eigenen Ideale zu verraten.

Freitag, 7. Februar 2025

Die unrunde Runde

Runde Toilettenspülung - sinnbildlich für die Runde der Selbsthilfegruppe Lungenkrebs

Gestern war ich bei der ersten Selbsthilfegruppensitzung meines Lebens. Vielleicht auch meiner letzten. Ich merkte sofort: meine Vorstellung von Selbsthilfegruppen war durch und durch verklärt. Ich habe einfach zu viele amerikanische Filme und Serien gesehen, denke ich. Ich hatte das Bild von im Kreis sitzenden Leuten vor Augen, die sich das Herz ausschütten, egal weswegen. Ob wegen Alkoholsucht, Aggressionsbewältigung oder multipler Sklerose für Familienangehörige – ich dachte, man erzählt seine Geschichte, bekommt Mitgefühl, Verständnis – und im besten Fall einen brauchbaren Tipp. Oder wenigstens ein bisschen Solidarität für den Heimweg. 

Mittwoch, 5. Februar 2025

Das Buch überhaupt

Schreibblock und Stift des Autors

Und täglich grüßt das Murmeltier… 4:32 Uhr war mir dann doch zu früh. Also habe ich mich anderthalb Stunden gewälzt und gewälzt. Soll ja auch was bringen. Also das im Bett-liegen-bleiben. Besser liegen und ruhen als aufstehen und stressen. Nur stresst das Kopfkino dann halt. Immer wieder im Kreis drehen, dieselben Fragen. Ich würde ja auch gerne planen, Pläne für die Zukunft machen, so wie andere. Aber das hat jetzt ne ganz andere Qualität bekommen.

Dienstag, 4. Februar 2025

Nachtgedanken II oder was Insomnia mit meinem Gehirn macht

Große Wanduhr im Café vom KINDL Zentrum für zeitgenössische Kunst

Ich denke, ich war in meinem früheren Leben eine wissenschaftliche Maus. Also im Tierreich, vor einigen Tausend Jahren. Im 21. Jahrhundert vor der Mausrechnung schuf ich im Labor von Knäckewood ein Lebenselixir, mit dem die gesamte Mausbevölkerung vor der Krankheit namens Qualle gerettet wurde.

Kunstkonsum

Victor Mancini vor einem alten Braukessel im Café des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst

Ich gehe wieder unter Menschen. Am Donnerstag Pizza mit Freunden bei Spaccanapoli. Ich war auch in der AGB, habe ein Buch ausgeliehen, bin durchs Kaufhaus gestreift – trotz der Ansteckungsgefahr in überfüllten Räumen. Fahrradfahren. Sonnenlicht im Gesicht. Wie lange habe ich das nicht mehr gemacht? Autonomie und Freiheit. Und der Wind, der mir ins Gesicht weht. Herrlich! Seht aus dem Fenster – die Sonne scheint. Schnappt euch das Fahrrad und dreht eine Runde! 

Sonntag, 2. Februar 2025

Licht am Ende des Tunnels


Dunkel mit Licht am Ausgang - das Innere eines Bierbraukessels


Die Sonne geht allmählich auf 
Sitze schon lange da und sehe ihr dabei zu 
Alles ist sinnlos, wozu? 
Ich weiß nichts mit mir anzufangen 
Alles ist anstrengend, selbst das Sitzen 

Samstag, 1. Februar 2025

Constrictor

Foto von Ameke sanfte Säfte - Pink Grapefruit
Sonntagsgedanken

Ich wache mit einem komischen Druckgefühl in der linken Brust auf und denke sofort, dass was nicht in Ordnung ist. Vielleicht ist es das auch nicht. Wer weiß? Bin ja kein Arzt. Bekomm’ es auch nicht raus, selbst wenn ich wollte. Wie denn? Das ist die Ungewissheit eines zum Tode Verurteilten. So geht’s mir jeden Tag. Was soll ich machen? Die Macht über mein Leben liegt nicht mehr in meiner Hand. 

© Vic Mancini on Death Row
Maira Gall